Meine Geschichte: Von Motivationstheater zu Systemen
Ich war nie „unmotiviert“. Ich war übermotiviert – für drei Tage. Dann kam der Dienstag, die Realität und der Rest des Lebens. Ich konnte Pläne schreiben, die NASA-tauglich waren, aber scheiterte an der Haustür, am Kühlschrank und an meinem eigenen Kopf. Das ist die Kurzfassung. Hier kommt die lange.
Motivation: Ich wartete auf einen Funken, der nie kam
Ich dachte lange, Motivation wäre ein Gefühl, das man nur richtig herbeizaubern muss. Musik auf Anschlag, YouTube-Reden, ein neues Notizbuch – und dann wird’s schon. Wurde es nicht. Ich war gut darin, mich am Sonntag zu begeistern, und genauso gut darin, am Mittwoch Gründe zu finden, warum heute ein schlechter Start wäre. Jeder Rückfall fühlte sich an wie ein Charakterfehler. Ergebnis: zu viel Schuld, zu wenig Handlung.
Was ich über mich gelernt habe: Ich bin nicht faul. Ich habe nur versucht, Gefühle zu planen statt Entscheidungen. Wenn du wartest, bis es sich „richtig“ anfühlt, wartest du ewig.
Sport: Heldenmodus trifft Alltag
Ich startete oft im Heldenmodus: fünf Workouts pro Woche, neue Schuhe, neues Programm, neues Ich. Nach zwei Wochen war ich vor allem eines: müde. Ich unterschätzte die Alltagsbewegung komplett und überschätzte die 60 Minuten im Fitnessstudio. Wenn der Tag chaotisch war, fiel das große Training aus – und mit ihm das ganze Vorhaben.
Was ich über mich gelernt habe: Das Problem war nicht zu wenig Training, sondern zu viel Anspruch. Ich brauchte einen Mindeststandard, den ich auch an miesen Tagen schaffe, und ich musste NEAT (Non-Exercise Activity Thermogenesis, also Alltagsbewegung) ernst nehmen: Treppen, Wege, Rumstehen statt Rumsitzen. Kleine Dinge, große Wirkung – wenn man sie macht.
Ernährung: Wunschdenken gegen Physik
Ich konnte Kalorien „wegargumentieren“ wie ein Profi. „War nur ein kleiner Snack.“ „Morgen faste ich.“ „Heute verdient.“ In der Praxis hieß das: zu wenig Protein, zu wenig Volumen, zu viele „Ausnahmen“. Ich aß oft zu schnell, zu spät und aus dem Blickfeld heraus. Wenn der Hunger groß wurde, gewann der Lieferdienst.
Was ich über mich gelernt habe: Hunger ist kein Charakterfehler, sondern ein Signal. Wenn ich satt werden will, brauche ich Protein und Volumen zuerst, sichtbare Optionen im Kühlschrank und Unsichtbarkeit für Süßes. Kein Verbot, nur Reibung an der richtigen Stelle.
Der Wendepunkt: Ich habe aufgehört, mich zu verhandeln
Der Moment der Veränderung war unspektakulär. Keine Erweckung, kein Guru, keine „ab morgen alles anders“-Show.
Ich habe nur Folgendes beschlossen:
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Entscheidungen abends, Ausführung morgens. Ich plane nicht meine Stimmung, ich plane meine Umgebung.
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Mindeststandard vor Maximalplan. Wenn alles schiefgeht, gehe ich 10 Minuten zu Fuß, mache 10 Kniebeugen, trinke 500 ml Wasser und esse eine Proteinquelle. Nicht heroisch – zuverlässig.
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Sichtbarkeit schlägt Willenskraft. Sportsachen raus, Obst und Protein auf Augenhöhe, Süßes aus der Sichtlinie.
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NEAT als Fundament. Jeden Tag bewegen – nicht, um Kalorien zu verbrennen, sondern um wach, klar und handlungsfähig zu bleiben.
Was heute anders ist
Ich habe weniger Drama und mehr Grundrauschen. Ich tracke keine perfekten Wochen mehr, sondern unterbreche früh schlechte Ketten. Ich esse langsamer, starte Mahlzeiten mit Protein und ich bewege mich, auch wenn das „nur“ Wege sind. Mein Training ist nicht beeindruckend, aber anwesend. Und an sehr vollen Tagen gilt: Mindeststandard zählt voll.
Was du daraus mitnehmen kannst
Wenn du wie ich bist, brauchst du keine neue Persönlichkeit, sondern weniger Reibung und klarere Standards. Motivation ist ein Zünder, kein Motor. Der Motor sind Entscheidungen, die du vor dem Hunger, der Müdigkeit und dem Stress triffst. Alles andere ist Show.